Provisionsverbot: Offener Brief gegen die Pläne der EU-Kommission

Provisionsverbot ist unsozial, schädlich für den Green Deal und unnötig“
Die EU-Kommission denkt über die Einführung eines Provisionsverbots in der Finanzberatung nach. Sie will damit Interessenkonflikte zwischen Finanzanlagenvermittler und Kunden reduzieren. Doch ein Provisionsverbot würde diese nicht automatisch beseitigen, wie drei Branchenvertreter in einem offenen Brief betonen. Sie plädieren für die Einführung von DIN-Normen, um die Qualität der Finanzberatung zu verbessern.

In ihrem offenen Brief begründen Dr. Klaus Möller, Ronald Perschke und Dr. Carsten Zielke, wie sich die Beratung auf Provisionsbasis verbessern lässt. Ihr Credo: Die Einführung der Honorarberatung ist keine Alternative.
 

Sehr geehrte Damen und Herren!


Wir wenden uns an Sie in großer Sorge über die neuerdings wieder entbrannte Diskussion über Provisionen und deren Verbot bei Finanzberatungen. Wir, die Unterzeichner, sind qualitativ hochwertigen Finanzdienstleistungen verpflichtet und in der Entwicklung von branchenübergreifenden, qualitätssichernden Normen für die Finanzberatung beim Deutschen Institut für Normung DIN engagiert.
Uns leuchtet nicht nur ein, sondern es ist uns ein Anliegen daran mitzuwirken, dass Fehlanreize in der Finanzberatung im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher so weit wie irgend möglich ausgeschlossen werden. Wir sind allerdings der Überzeugung, dass die Abschaffung von Provisionen keineswegs geeignet ist, Interessenskonflikte zwischen Kunden und Beratern zu vermeiden. Die Belege für wenig verbraucherfreundlichen Umgang mit Honoraren – auch aus Erfahrungen anderer beratender Berufe - sind allerdings zu vielfältig, als dass diesen hier vollumfänglich Raum gegeben werden soll.

Es sei allerdings auf den einen Punkt hingewiesen, dass Honorare keine Stornohaftung enthalten, dass BeraterInnen folglich weniger als bei der Vergütung durch Provisionen dafür Sorge tragen müssen, dass sie VerbraucherInnen unbedingt das bestmögliche Produkt verkaufen. Honorare sind unwiderruflich verdient, auch wenn Kunden mit den Produktlösungen unzufrieden sind. Die mit der Stornohaftung vom Verbraucherschutz erzielten Errungenschaften gingen bei einem Provisionsverbot vollständig verloren. Unsere Vergleichsrechnungen auf Basis üblicher Konditionen haben zudem auch gezeigt, dass langfristig Honorare für die meisten Kunden teurer sind als Provisionen.
 

Erlauben Sie uns, im Folgenden einen alternativen Weg zur Vermeidung von Interessenskonflikten und Fehlanreizen vorzustellen, der zugleich die Vorzüge des Provisionssystems erhält, die als Kollateralschaden eines Provisionsverbotes verlorengehen würden und auf die wir im Anschluss kurz eingehen wollen:
 

  • Im Sinne von Qualitätsverbesserung in der Finanzberatung haben sich in Deutschland in den vergangenen nahezu zehn Jahren immer mehr Marktteilnehmer, Verbraucherschützer und Wissenschaftler zusammengetan, um im Konsens DIN-Normen für die Finanzanalyse und -beratung zu schaffen. Durch darin festgelegte Prozesse werden die Kundeninteressen in den Mittelpunkt gestellt - ganz unabhängig davon, ob die Vergütung durch Honorare oder durch Provisionen erfolgt. Dabei sind entstanden:

    • Die DIN 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“, die
    VerbraucherInnen individuell, objektiv und neutral, das heißt garantiert nicht
    interessengesteuert Orientierung darüber gibt, welche Absicherungs-,
    Vorsorge- und Vermögensbildungsmaßnahmen für sie überhaupt und
    mit welcher Priorisierung relevant sind. Außerdem gibt die Norm Regeln
    und Parameter für die Berechnung quantitativer Orientierungswerte vor.

    • Die DIN 77223 „Risikoprofilierung für Privatanleger“, die Regeln definiert, wie ohne Suggestion und Manipulationsspielräume die Risikotragfähigkeit, die Kenntnisse und Erfahrungen sowie die Risikobereitschaft von Privatanlegern zu ermitteln und in Abgleich zur Risikoklassifizierung von vorhandenem Gesamtvermögen oder zweckgesetzten Teilvermögen zu bringen sind.

    • Die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen nach Anhang B der DIN 77230, die einen – in der öffentlich gemachten Einschätzung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz - „praktikablen Weg“ zur gemeinsamen Befassung von Beratern und Verbraucherinnen mit dem Thema Nachhaltigkeit und damit zur Unterstützung des Green Deals anbietet.

    Die konsequente und flächendeckende Umsetzung der genannten Normen würde Fehlanreize und Interessenkonflikte in der Finanz- und Anlageberatung durch objektive Analyse und Aufklärung der Verbraucher eliminieren und könnte zugleich die sozialen und ökologisch relevanten Effekte der Vergütung durch Provisionen bewahren.

    Provisionen bringen BeraterInnen und VermittlerInnen höhere Vergütung von Besserverdienenden durch höhere Abschluss-Summen und niedrigere Vergütung von Geringverdienern durch regelmäßig niedrigere Abschluss-Summen. Provisionen haben mithin eine hochgradig soziale Komponente, indem Besserverdienende die Beratung von Geringverdienenden quersubventionieren. Honorare sind dagegen für Besser- und Geringverdiener gleich hoch.

    Das Provisionssystem erlaubt VerbraucherInnen, ohne zusätzliche Kosten Zweit- und Drittmeinungen einzuholen. Dies zu tun ist eine dringende Empfehlung des Verbraucherschutzes. Bei Vergütung der BeraterInnen und VermittlerInnen ausschließlich durch Honorare würden Zweitmeinungen zusätzliches Geld kosten.

    Insbesondere Geringverdienende würden bei ausschließlicher Vergütung durch Honorare auf Zweitmeinungen verzichten, um weitere Honorarzahlungen einzusparen. Sie würden auch bei Unbehagen und Zweifeln der Erstmeinung folgen oder – noch schlimmer! - von notwendigen Absicherungs- und Vorsorgemaßnahmen gänzlich Abstand nehmen.

    Die Regulatorik hat soeben den BeraterInnen und VermittlerInnen auferlegt, noch mehr Beratungszeit als bisher zu investieren, nämlich dafür, mit den VerbraucherInnen über Nachhaltigkeit und ihre Nachhaltigkeitspräferenzen zu sprechen. Dieses berechtigte und wichtige politische Anliegen, an dem die Steuerung von Kapitalströmen in nachhaltige Investments und mithin der Green Deal der EU hängt, verteuert die Beratungsleistung nicht bei Vergütung über Provisionen, wohl aber bei Vergütung durch aufwandsabhängige Honorare.

 

Eine Verteuerung der Beratung kann zur Ablehnung des Themas und damit zur Gefährdung des Green Deal führen. Der Green Deal kann ebenfalls gefährdet werden durch den in Großbritannien und den Niederlanden bereits erfahrenen Umstand, dass die Zahl der BeraterInnen und VermittlerInnen nach einem Provisionsverbot dramatisch zurückgeht und somit insbesondere KleinsparerInnen überhaupt keine persönliche Beratung mehr genießen werden. Ein wichtiges Instrument dafür, Aufmerksamkeit für die Bedeutung von nachhaltigen Investments zu schaffen, geht damit verloren.
 

Ein Verbot von Provisionen ist unnötig angesichts der Alternativen und auch ebenso unsozial wie schädlich für den Green Deal! Wir bitten Sie daher höflich, diese Argumentation in Ihren Überlegungen und in der Kommunikation mit den entsprechenden Interessenvertretern zu berücksichtigen.

Für weitere Fragen stehen Ihnen die Unterzeichner gerne zur Verfügung.

Beste Grüße

Dr. Klaus Möller, Vorstand DEFINO Institut für Finanznorm AG
Ronald Perschke, Vorstand Going Public! Akademie für Finanzberatung AG
Dr. Carsten Zielke, Geschäftsführer Zielke Research Consult GmbH


 

Dr. Klaus Möller
DEFINO Institut für Finanznorm AG
Bergheimer Str. 147
69115 Heidelberg

Telefon: 06221 6733410
E-Mail: k.moeller@defino.de
Web: www.defino.de